Welche Themen würden Sie in eine Paartherapie mitbringen, wenn Sie selbst Ihr*e Partner*in wären?

Eine Paartherapie oder ein Paarcoaching mit dem Partner oder der Partnerin zu machen, wenn die Beziehung ins Wanken gerät, kostet viele Menschen Überwindung. Und doch erscheint es sinnvoll, Unterstützung von außen zu holen, um die gemeinsame Beziehung zu reflektieren, die „Schmerzpunkte“ anzusprechen und nach Lösungen und neuen Strategien miteinander zu suchen.

Eine „Paartherapie“ mit sich selbst zu machen hört sich erstmal schräg an, oder? Weshalb auch? Da ist kein*e Partner*in, die/der sich trennen könnte, denn ist es doch eh klar, dass jeder mit sich zusammenlebt – vom Anfang bis zum Ende.

Und genau diese Selbstverständlichkeit lässt viele Menschen in dem Glauben, die Aufmerksamkeit und der Fokus müsse auf der Arbeit an der Beziehung mit anderen Menschen liegen. Diese Beziehungen scheinen fragiler als die zu dem Menschen, mit dem wir die meiste Zeit verbringen.

Tatsächlich ist es jedoch auch diese Selbstverständlichkeit, die in Paar- und Liebesbeziehungen dazu führt, dass die Partner die Beziehung schleifen lassen, sich nicht mehr füreinander hübsch machen, sich vielleicht sogar gehen lassen und keine Energie in das Miteinander legen. Bis eine*r möglicherweise die Nase voll hat und geht. Dann ist das Jammern laut und die Erkenntnis, dass dieser Mensch so besonders ist und er es verdient hätte, dass man sich um ihn kümmert, präsent.

Logisch, wir können faktisch nicht vor uns selbst davonlaufen, wenn wir uns selbst nicht gut tun und uns vernachlässigen (und dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten). Wir können uns jedoch unwohl fühlen, psychisch leiden und krank werden, oder unbewusst schädliche Strategien entwickeln, um uns wenigstens nicht mehr fühlen zu müssen, wenn wir schon nicht vor uns davonlaufen können. Das kann in Form von Alkohol, Drogen, Dauer-Netflixen, sich für andere aufarbeiten, einem gestörten Essverhalten, Arbeiten bis zum Umfallen u.v.m. stattfinden. Unser Gehirn sucht eine Lösung, um uns sozusagen vor uns selbst zu schützen. Die mag für den Moment hilfreich scheinen und sich sogar gut anfühlen. Langfristig sind solche Verhaltensmuster jedoch dysfunktional und schädlich.

Was also tun, um die Beziehung zu sich selbst ernst zu nehmen?Sie könnten sich z.B. folgende Frage stellen: „Wie glücklich wären Sie in Ihrer Beziehung, wenn Sie Ihr eigene*r Partner*in wären?“ oder anders gefragt: „Welche Themen würde Sie in eine Paartherapie einbringen, wenn Sie selbst Ihr*e Partner*in wären?“.

Haben Sie sich jemals eine solche Frage gestellt? Nein? Interessant, oder? In Paarbeziehungen ist das eine Frage, die die Beteiligten regelmäßig überprüfen.

In meiner Praxis erlebe ich es immer wieder, dass es Anfragen zu Paartherapie oder Paarcoaching gibt und dann nur eine*r der beiden zum Termin erscheint. Manchmal ist die Beziehung dann schon beendet und es geht um eine Trennungsbegleitung.

Manchmal möchte die Person, die vor mir sitzt, die Zeit dann bewusst für sich nutzen. Vor einiger Zeit bekam ich von einer Person, die ursprünglich zu einem Paar-Coaching angemeldet war und dann alleine kam, die Rückmeldung: „Ich bin richtig froh, dass aus der Paartherapie nichts geworden ist und ich die Zeit nur für mich genutzt habe. Und ich stelle fest: Ich habe hier in den Sitzungen intensive Beziehungsarbeit geleistet. Und zwar ENDLICH in der Beziehung zu mir selbst. Das hat so gut getan“. Wie schön und wertvoll, oder?

Ob eine Einzelperson die Beziehung zu sich selbst reflektiert oder ob ein Paar seine Beziehung auf den Prüfstand stellt, die Themenbereiche ähneln sich deutlich.

Wie sprechen Sie mit sich?

Ein Themenkomplex bei Paaren ist fast immer die Kommunikation miteinander.
Wie sprechen beide miteinander? Ist das wertschätzend, liebevoll oder eher abwertend? Nehmen Sie sich ernst in ihren Bedürfnissen, Sorgen und vielleicht auch Ängsten? Hören Sie sich aufmerksam zu?
Und wie ist das in Ihrer Beziehung zu sich selbst? Gedanken wie „Ich bin so doof. Das kann auch nur mir passieren. Ich bin so dämlich. Immer mache ich Fehler. Nie mache ich etwas zu Ende“ etc. sind wie ein Gespräch mit sich selbst, mit dem Sie sich abwerten, sich klein machen und selbst demotivieren. Wünschen Sie sich das von Ihrem Partner?
Besser wäre es doch, sich selbst auch mal Komplimente zu machen und sich selbst wertzuschätzen für das, was Sie da den ganzen Tag leisten und in die Welt bringen.

Wie sieht es aus in Sachen Respekt und Mitgefühl? … sich selbst gegenüber?

Die meisten Paare sind sich darin einig, dass ein respektvoller Umgang miteinander und die Fähigkeit, Mitgefühl mit dem anderen zu empfinden, ein wesentlicher Bestandteil einer guten Beziehung sind – auch wenn sie selbst darin möglicherweise Entwicklungsbedarf haben.
Doch das Gleiche gilt auch für den Umgang mit sich selbst, oder? Zum respektvollen Umgang gehört zum einen die Sprache, doch auch das Respektieren der eigenen Grenzen und Bedürfnisse ist hier ein wesentlicher Faktor.
Respektieren Sie Ihre eigenen Grenzen und verteidigen diese auch? Oder erlauben Sie (möglicherweise ganz unbewusst) anderen Menschen immer wieder, über Ihre Grenzen zu treten? Haben Sie Respekt vor Ihren eigenen Bedürfnissen und nehmen diese auch ernst?

Ohne Sie persönlich zu kennen, vermute ich, dass Sie geübt und erfahren darin sind, anderen Menschen, insbesondere denen gegenüber, die Ihnen am Herzen liegen, Mitgefühl zu empfinden und zu zeigen. Verändert sich daran etwas, sobald Sie die Silbe „Selbst“ davor setzen? In meiner Arbeit erlebe ich häufig, dass Menschen genau dann zucken und sich beim Thema „Selbstmitgefühl“ auf unbekanntes Terrain wagen. Was auch hier hilfreich sein kann ist die Frage: Wie würde ich auf meine Lebensumstände reagieren oder auf meine Thematik, wenn ich meine beste Freundin oder Geliebte wäre?

Wie wäre es mit Quality Time? … Für und mit sich selbst?

Paare beklagen häufig, dass sie so nebeneinander leben, dass sie zwar den Alltag miteinander gestalten, gemeinsam essen und vielleicht auch fern schauen, diese Zeit aber nicht bewusst miteinander gestalten. Gerade, wenn Beziehungen schon über viele Jahre bestehen oder aus Paaren Eltern werden, schleicht sich dieser Prozess immer wieder ein. In der Paartherapie entscheiden sie sich dann häufig bewusst für gemeinsame Rituale, für gemeinsame Quality Time ohne Störung von außen, schaffen besondere Anlässe durch Date Nights oder Wochenenden in Romantik Hotels.

Wie wäre es mit einem Date? … mit sich?

Wie viel Zeit nehmen Sie sich bewusst für sich? Ohne eine Agenda dahinter? D.h. auch nicht das Sportprogramm, das sie absolvieren, um fit zu bleiben oder an Ihrer Figur zu arbeiten. Zeit mit sich, einfach so, ohne etwas zu müssen? Ganz absichtslos?
Das muss nicht gleich ein Wochenende im Wellnesshotel sein. Das kann auch einfach die schöne Tasse Ihres Lieblingstees oder Cafés sein, die Sie bewusst genießen und zelebrieren? Und das Ganze vielleicht auch noch in dem Geschirr, dass Sie nur für besondere Anlässe, Feierlichkeiten und Gäste im Schrank aufbewahren.
Machen Sie sich selbst zu einem besonderen Anlass, verwöhnen Sie sich und genießen. Probieren Sie es mal aus!

Hatten Sie jemals ein Date mit sich selbst? Nein? Dann empfehle ich Ihnen auf jeden Fall, das mal auszuprobieren. Das ist wirklich spannend. Das kann der Besuch einer Ausstellung sein, ein Kinobesuch oder ein Besuch in Ihrem Lieblings-Bistro. Wichtig ist die Haltung, mit der Sie sich vorbereiten. Stellen Sie sich vor, Sie würden auf ein Date mit einem anderen Menschen gehen, auf den Sie sich freuen, den Sie kennenlernen wollen und fragen sich: Was würde ich anziehen? Welches Makeup? Schmuck? Und genau das tragen Sie dann auf Ihrem Date… mit sich selbst. Es ist einen Versuch wert!

Intimität fängt schon beim Eincremen an

Ein klassisches Thema in der Paartherapie ist die Intimität miteinander. Das schließt natürlich die Sexualität mit ein. Doch Intimität ist so viel mehr! Das sind zärtliche Berührungen, Nähe, Sinnlichkeit u.v.m..

Auch dieses Thema ist wichtig in der Beziehung zu sich selbst. So viele Menschen lehnen ihren Körper ab, nutzen ihn als „Transportmittel“ oder als „Anschauungsobjekt“. Die Körperpflege wird vollzogen, weil man eben gut aussehen und duften möchte, doch wer nimmt sich schon bewusst Zeit dafür? Eincremen bedeutet häufig: Creme auf den Körper klatschen und in Ermangelung an Zeit und/oder Willen verteilen. Ist das die Art und Weise, wie Sie Ihren Partner eincremen oder nehmen Sie sich da mehr Zeit? Haben Sie Freude daran, die Haut des Gegenübers zu spüren und den Körper zu entdecken? Wie wäre es, wenn Sie sich genau mit dieser Haltung einmal selbst eincremen würden?

Oder wenn Sie schöne Wäsche einfach mal nur für sich anziehen würden… weil Sie sich schön und sinnlich darin fühlen?

Sie leben mit sich 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr, vom Anfang bis zum Ende Ihres Lebens und sind der Mensch, der Ihnen am nächsten steht. Es kann wertvoll sein, sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen und sich die Frage zu stellen: Wie zufrieden wäre ich in meiner Partnerschaft, wenn ich mein*e Partner*in wäre?